Laufen nach der Schwangerschaft
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Das Baby ist da, jetzt schnell in die Laufschuhe – dieser Wunsch junger Mütter ist zwar verständlich, aber nicht vernünftig. Denn der Körper hat durch Schwangerschaft und Geburt viel durchgemacht. Fitness Coach Moni Homann ist auf postpartales Training spezialisiert. Sie erklärt, wie Frauen sich auf den Wiedereinstieg ins Laufen vorbereiten können und welche Voraussetzungen vor der ersten Joggingrunde erfüllt sein sollten.
ARTZT: Eine Schwangerschaft und die Entbindung verändern den Körper. Wie stellt sich das dar, was hat sich verändert und welche Auswirkungen haben diese körperlichen Veränderungen auf den Laufsport?
MH: Das Gehirn und die Plazenta produzieren in der Schwangerschaft ein wahres Hormonfeuerwerk, das den Körper auf das heranwachsende Leben vorbereitet: Oxytocin, Progesteron, Prolaktin, Relaxin, HcG heißen u.a. die Zutaten für den Cocktail, der alle Signale im Körper auf „weich machen“ stellt. Der Rumpf wird durch die Schwangerschaft und die Geburt strapaziert: er ist weich, überdehnt, manchmal verletzt. Die Körpermitte hat in ihrer Funktionalität verloren oder zumindest stark eingebüßt. Der Beckenboden hat über fast 10 Monate lang das anwachsende Gewicht des Babys getragen. Auch Sehnen und Bänder werden weicher, Gelenke sind somit weniger stabil geschützt. Wenn man sich das vor Augen führt, wird klar, warum es keine besonders gute Idee ist, zu früh Laufen zu gehen. Ich höre so oft: „ich will mal wieder Sport machen – ich geh jetzt Laufen“. Dass auf diese Belastung jedoch weder Sehnen, noch Bänder, noch Muskeln, geschweige denn der Beckenboden vorbereitet sind, kann übel enden.
ARTZT: Was kann passieren, wenn ich zu früh mit dem Laufen beginne?
MH: Ich bin kein Fan davon, den Frauen irgendwas zu verbieten oder ihnen Angst zu machen im Sinne von „das darfst du nicht!“. Jede Frau fühlt das auch individuell anders, jede Schwangerschaft verläuft anders, jede Geburt und jede Regeneration ebenso. Vielleicht ist sie vor der Schwangerschaft sehr viel gelaufen und hat sich auch in der Schwangerschaft viel bewegt und hat mit spezifischen Übungen für das Laufen nach der Schwangerschaft trainiert. Dann ist sie sicherlich auch nach der Geburt viel früher bereit als jemand, der vor der Schwangerschaft nicht mal durch´s eigene Viertel spaziert ist. Ich finde es schöner, die Frauen zu sensibilisieren für ihren Körper und sie zu animieren, in sich selbst hinein zu fühlen und sich wahrzunehmen. Der Körper zeigt dir meist ziemlich genau, wenn du noch nicht fit genug für´s Laufen bist: Druck nach unten in den Beckenboden sollte man ernst nehmen, zum Beispiel. Urinverlust nach der Belastung auch.
Schmerzen im Beckenring sowie Rückenschmerzen sind ein Zeichen dafür, dass der Körper mit der Impactbelastung noch nicht zurecht kommt. Es fehlt dann einfach noch zu viel Kraft und reflektorische Muskelaktivität – ich sag gerne dazu „die Bahnen sind noch nicht wieder befahrbar“. Im schlimmsten Fall kommt es zu Beckenbodensenkungen. Das ist dann ein Fall für Spezialisten in der Beckenbodentherapie. Eine Kundin, die in ihrem Anamnesebogen meine Fragen nach Druckgefühl und Schmerzen im Becken bejaht, würde ich erst mal nicht ins Training nehmen, sondern zur Expertin schicken. Erst wenn sie asymptomatisch ist, trainiere ich mit ihr.
ARTZT: Kann es zu Spätfolgen kommen, weil ich anfangs nicht gemerkt habe, dass es zu früh war?
MH: Wenn es schlecht läuft, kann das theoretisch passieren. Beckenbodensenkungen oder –schwächen könnten als Spätfolge erst viele Jahre später oder im Alter auftauchen. Es macht also immer Sinn, den Beckenboden zu trainieren bzw. sich um seine Rumpfstabilität zu kümmern. Wenn die Muskulatur gut arbeitet, kann sie den Beckenboden ideal entlasten. Auch das Risiko von Fehlstellungen vom Becken über die Knie bis zu den Fußgelenken wird durch eine gute Trainingsvorbereitung minimiert.
ARTZT: Gibt es eine Empfehlung, wann man nach der Entbindung wieder mit dem Laufen beginnen kann? Wie lange sollte man mindestens warten?
MH: Das ist pauschal nicht einfach zu beantworten, da das sehr individuell ist und von vielen Faktoren abhängt. Der Zeitpunkt für den „richtigen Start“ ist bei jeder Frau ein anderer. Meistens kann sie sich jedoch eigentlich ganz gut auf ihr Gefühl verlassen. Wer ganz sicher gehen will – was ich gut nachvollziehen kann – holt sich sein „okay“ bei einem Beckenboden-Checkup in den spezialisierten Händen einer Beckenbodentherapeutin. Das wäre für mich persönlich noch idealer als das grüne Licht des/der Gynäkologen:in. Wer eine Sicherheit haben möchte, die sich ja auch viel im Kopf abspielt, ist dort am besten aufgehoben. Grundsätzlich würde ich empfehlen: die Rückbildung sollte unbedingt abgeschlossen sein. Und: zuerst die Muskeln trainieren und entsprechend vorbereiten – und erst dann Laufen gehen. Nicht andersrum.
ARTZT: Mit welchen Übungen kann ich meinen Beckenboden fit für´s Laufen machen?
MH: Ein intakter Beckenboden alleine lässt einen noch nicht wieder gut laufen. Da gehört mehr dazu – eine gute Rumpfkraft sowie eine gekräftigte hüftstreckende Muskulatur, die das Becken stabil hält. Übungen, die die Beinachse stabilisieren. Übungen, die die Kraft aufbauen, um die Belastung des Laufens zu verarbeiten. Übungen, die den Körper aus der „Schwangerschaftshaltung“ wieder rausholen. Zunächst darf dran gearbeitet werden, den Beckenboden funktionell anzusteuern. Um ihn dann aber unbedingt auch wieder loslassen zu können! Es wäre nicht gut, den Beckenboden beim Laufen permanent angespannt zu halten. Ein hypertoner Beckenboden ist auf keinen Fall das Ziel, ganz im Gegenteil. Ich würde also sagen: es gibt nicht DIE eine Übung, die den Beckenboden fit für´s Laufen macht. Aber es gibt Übungen, die den Rumpf so ganzheitlich, funktionell und reflektorisch trainieren, dass er stabil genug ist, um den Beckenboden gut zu unterstützen – das Eine, der stabile Beckenboden, kommt durch das Andere, eine stabile und gut funktionierende Rumpfkapsel.
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ARTZT: Wie kann ich denn wieder starten? Welche Voraussetzungen sollten erfüllt sein und wie könnte ich ein Lauftraining beginnen?
MH: Nochmal: eine abgeschlossene Rückbildung, die ganzheitlich und nicht nur isoliert trainiert wurde, ist für mich die Mindestvoraussetzung. Dann würde ich empfehlen, mit regelmäßigen Spaziergängen – bis hin zum zügigen walking – das Herz-Kreislauf-System anzuregen und damit die Ausdauer zu trainieren. Ein schneller und auch längerer Spaziergang sollte beschwerdefrei möglich sein. Übungen auf einem Bein sollten kompensations-‐ und unfallfrei sowie stabil absolviert werden können. Starte mit kurzen Laufeinheiten, nicht mit einem Halbmarathon! Vergiss alte Bestzeiten und höre auf deinen Körper und deinen Herzschlag. Die Intensität langsam zu erhöhen macht unbedingt Sinn. Wende dich an eine:n gut ausgebildete:n Trainer:in, der/die sich mit Training nach der Schwangerschaft auskennt und hol dir Hilfe. Diese Investition in deine Gesundheit lohnt.
ARTZT: Wenn ich Trainer oder Personal Trainer bin und mir Wissen aneignen möchte für die Kundin nach der Schwangerschaft – wo kann ich das lernen?
MH: Bei mir zum Beispiel Ja! Ich habe ein Ausbildungsmodul für Trainer:innen entwickelt, das in 2 Tagen extrahiertes Wissen aus den Bereichen Training, Therapie und Osteopathie und damit die Grundlagen für die Arbeit mit postpartalen Klientinnen vermittelt. Dort erfährt man, wie man sich ein Kundensegment erschließt oder es behalten kann, das nach der Entbindung und Rückbildung trainiert werden möchte. Es geht darum, die Lücke im Training zu schließen, die NACH der Rückbildung und VOR dem Einstieg in den Sport entstanden ist. Was ist so anders im Umgang und im Training mit Frauen nach der Schwangerschaft? Worauf muss in der Anamnese und der Bewegungsanalyse geachtet werden? Wie erkennt man Pathologien in der Rumpfkapsel, welche Testungsmethoden gibt es und welche Lösungen bietet man an? Wie hat sich der Körper einer jungen Mutter strukturell, hormonell und muskulär durch und nach der Schwangerschaft verändert? Welches Core‐Training macht Sinn, wenn Crunches und Planks aufgrund der körperlichen Verfassung nicht angesagt sind? Wie bekommt man den Rumpf einer jungen Mutter wieder stabil und belastbar? Es passiert immer noch viel zu oft, dass Trainer:innen im Fitness Studio eine junge Mutter unverrichteter Dinge wieder wegschicken, weil man sie nicht zu betreuen weiß oder sich da nicht ran traut. Mit dieser Ausbildung legt man einen guten Grundstein, damit das nicht passiert.
ARTZT: Ist dieses Ausbildungswochenende auch interessant, wenn ich mein eigenes Training optimieren möchte
MH: Na klar! In diesem Fall macht es Sinn, nur den Sonntag - den Praxistag - zu buchen. An diesem sogenannten „Training Day“ geht es von morgens bis zum späten Nachmittag nur um Übungen und Übungsvarianten, vor allem für den Core. Hier ist der Fitnessfreak genauso herzlich willkommen wie jemand, der im therapeutischen Bereich vielleicht schon gut ausgebildet ist, dem aber die Idee für das reine Training fehlt.
Mehr Infos und Ausbildungstermine unter: monihomann.de